ACTA BIOLOGICA ACADEMIAE SCIENTIARUM HUNGARICAE
TOMUS XI FASCICULUS 3 (Eingegangen am 10. Februar 1960)
BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MIKROFLORA UND MIKROFAUNA
IN DEN DONAUARMEN NEBEN BAJA (SÜDUNGARN)
DATA REGARDING THE MICROFLORA AND MICROFAUNA IN THE ARMS
OF TIIE DANUBE NEAR BAJA (south Hungary)
von ERZSEBET KOL und L. VARGABOTANISCHE ABTEILUNG (VORSTAND: B. ZÖLYOMI)
DES UNGARISCHEN NATURWISSENSCHAFTLICHEN MUSEUMS, BUDAPEST
UND
BODENBIOLOGISCHES FORSCHUNGSLABORATORIUM (VORSTAND: G. PÄNTOS) DER UNGARISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, SOPRON
(nur Einleitung und Diskussion - only Introduction and Discussion. English Abstract)
Zusammenfassung
Die "Arbeitsgemeinschaft Donauforschung der SIL", an der alle Donauländer beteiligt Sind, hatte mit grossem Schwung die Erkundung der Biozönese der Donau in Angriff genommen. In Ungarn obliegt diese Arbeit der Ungarischen Donauforschungsstation. In der vorliegenden Abhandlung wird die Bearbeitung jenes Planktonmaterials dargeboten, das KOL in den Monaten Mai und Juli 1951 aus der Donau und ihren fünf Nebenarmen in der Umgebung von Baja eingesammelthat. Die über das Phyto- und Zooplankton veröffentlichten Angaben spiegeln also den vor fast 10 Jahren gewesenen Zustand wider. Zur Zeit der Sammelarbeit .hatte die Donau einen hohen Wasserstand. Die Algenassoziationen waren in jedem Donauarm unterschiedlich. Es zeigten sich Unterschiede auch in der Zusammensetzung der Mikrofauna, von welcher eingehend die Rotatorien bearbeitet wurden. Hierbei zeigte sich, dass die Bajaer Donauarme, obwohl ihre Gewässer hydrographisch mehr oder minder miteinander verbunden sind, selbständige Biotopen darstellen, die alle eine eigene Lebensgemeinschaft aufweisen. Ungeachtet dessen kommen in ihnen zahlreich auch gemeinsame Arten vor.
Im Phytoplankton der untersuchten Donauarme dominierten ? mit einem Anteil von 51 bis 80%-die Chlorophyta-Arten. Die zum Vorschein gekommenen pflanzlichen Mikroorganismen gehörten insgesamt 97 Arten an. Unter diesen fanden sich 32 Arten, die aus dem ungarländischem Abschnitt der Donau bisher nicht bekannt waren. In den untersuchten Biotopen wurden auch zahlreiche seltene Algenarten festgestellt.
Das Zooplankton bestand im Frühjahr, besonders aber im Sommer, zum überwiegen. den Teil aus Rotatorien. Die Crustaceen erreichten bloss in einem Falle 30%, waren jedoch im Sommer nur mit 2 bis 5% vertreten. Neben den euplanktischen Arten kamen auch viele tychoplanktische vor, die sich in Süsswasserbiotopen nur passiv zu Planktons scharen. Es konnte das Vorhandensein von insgesamt 98 Arten, 17 Varietäten und 2 Formen ermittelt werden. Doch spielen von diesen in der planktischen Biozönose der Bajaer Donauarme etwa 10 Rotatoria-Arten (8,5%) mit ihrem massenhaften Auftreten die Hauptrolle. Im Plankton der Donauarme gibt es viele stark variierende Arten; diese Tatsache ist wahrscheinlich mit den eigenartigen, sehr mannigfaltigen und ständig wechselnden ökologischen Verhältnissen des Flusswassers zu erklären. Die Varietäten gehörten vorwiegend den euplanktischen Arten an. Eine derart grosse Zahl kommt z. B. im Plattensee (Balaton) nie vor. Im Phyto- und Zooplankton der Donauarme leben auch im Sommer Arten, die in andern stehenden Gewässern Ungarns (z. B. im Plattensee) nur im Winter anzutreffen, dort also kaltstenotherme Formen sind. Für die ungarländische Fauna konnten 13 Arten (Varietäten, Formen) als neu nachgewiesen werden.
Einleitung
Über die pflanzlichen Mikroorganismen der ungarischen Donaustrecke finden wir schon in den letzten Dezennien des vergangenen Jahrhunderts Literaturangaben vor. BORBÄS [2] erwähnt im Jahre 1879 die Rotalge Chantransia chalybea der Donaumühlen. FILARSZKY [8] beschreibt 1893 mehrere
DISKUSSION
Die Donau teilt sich innerhalb der Grenzen Ungarns nirgends auf so viele und nahe zueinander befindlichen Arme als in der Umgebung von Baja. Diese ,Arme sind hydrographisch grösstenteils in Verbindung miteinander bzw. mit ,dem Hauptarm. Je höher also der Wasserstand des letzteren, um so schneller fliesst das Wasser in den Nebenarmen. Bei niedrigem Wasserstand führen auch diese weniger und mit verminderter Schnelligkeit Wasser.
Das Potamoplankton des Hauptarmes und seiner Nebenarme bestand im Mai und Juli 1951 überwiegend aus Algen und Rotatorien. Zur Zeit beider Sammelarbeiten herrschte hoher Wasserstand. Trotzdem war das Phyto- und Zooplankton in gleicher Weise ziemlich reich und mannigfaltig. Im Phytoplankton des Hauptarmes und der mit ihm am unmittelbarsten verbundenen Cserta-Alten-Donau dominierten -neben anderen Kieselalgen - die Asterionella-Arten. Die Rotatorien des Zooplanktons erwiesen sich auch als recht ähnlich, die Zahl der Arten war im Frühjahr grösser, im Sommer kleiner, obwohl ,als Leitform nicht dieselbe Art auftrat.
Im Phytoplankton der bedeutend schmäleren Cserta-Donau führten Ceralium hirundinella und verschiedene, zu Chlorococcales gehörende Algenarten das Primat, die Rotatorien hatten im Sommer eine höhere Artenzahl als im Frühjahr. Dieser Arm wies schon etwas mehr lakustrische Arten auf, stellen-weise entwickelte sich eine üppige makrophytische Flora in ihm.
Im Phytoplankton der aus der Cserta-Alten-Donau abzweigenden und weiter nach Süden in den Hauptarin mündenden Simon-Donau waren - neben Asterionellen und Anabaena sphaerica var. tenuis die verschiedenen Dinobryon?Arten und Ceratium hirundinella vorherrschend. Ihre dominierende Rotatorienfauna zeugt auch dafür, dass dieser Arm schon in höherem Masse den Teicheharakter aufweist. Im Mai war die Zahl der Arten viel geringer als im ,Juli, und als bezeichnendster Zug soll erwähnt werden, dass die tychoplanktischen Arten zahlenmässig in beiden Perioden die cuplanktischen übertrafen. Diese Tatsache beweist wiederum, dass je schneller in einem Donauarm .das Wasser fliesst, um so mehr tychoplanktische Arten darin verbleiben können.
Die ebenfalls schmale Szeremleer-Donau (Sugoviea) ist vom Hauptarm abgesehen der längste Donauarm. Sie schlängelt sich bis Baja, umfliesst die Pandur Insel. Dieser Arm nimmt die Abwässer der Stadt Baja auf und aus ihm zweigt der Ferenc?Kanal ab, während er von Westen einen anderen Arm unmittelbar aus demHauptarm aufnimmt. Sein Wasser steht also unter ,dem Einfluss besonderer ökologischer Wirkungen, demgemäss ist sowohl dessen Phytoplankton als auch das Zooplankton sehr reich und mannigfaltig. Von den insgesamt 97 Arten der pflanzlichen Mikroorganismen, die aus allen unter.suchten Donauarmen eingesammelt werden konnten, waren 57 Arten (58,80%) hier vorhanden.
Als Leitformen traten die Asterionellen und Dinobryon?Arten auf. Die Rotatorienfauna dieses Wasserlaufes ist sowohl an Arten als auch der Menge nach unter allen Donauarmen am reichsten und mannigfaltigsten. Im Frühjahr leben hier viel weniger Rotatoria?Arten als im Sommer. Auch die Zahl der tychoplanktischen Arten ist in diesem Arm am höchsten.
Der Ferene?Kanal ist vom Hauptarm schon weit entfernt. Sein Potamoplankton ist aber in vielen Beziehungen mit dem Plankton der übrigen Donauarme verwandt. Im Phytoplankton waren die Asterionellen und die in den Kreis der Chlorococcales gehörenden Algenarten vorherrschend. Das Rotatorienplankton des Kanals ist ? mit dem der übrigen Donauarme verglichen sehr ärmlich. Im Frühjahr leben in seinem Wasser weniger Arten, die Zahl dieser übersteigt jedoch im Sommer das Doppelte des Frühjahrsaspektes, wobei die einen ausgeprägten ?lAküstrischen Charakter aufweisende Filina longiseta die Leitform ist.
Für die im Zooplankton herrschenden Rotatorien ist es also kennzeichnend, dass im rasch fliessenden Hauptarm und in der mit ihm in enger hydrologischer Verbindung stehenden Cserta?Alten?Donau zur Frühjahrszeit bedeutend mehr ihrer Arten leben als während des Sommers. Im Potamoplankton der schmäleren und langsamer fliessenden übrigen Nebenarme sind die Verhältnisse gerade umgekehrt. Diese Erscheinung kann auf die Geschwindigkeit der Flut zurückgeführt werden. Die Geschwindigkeit des fliessenden Wassers ist demnach bei der Entwicklung des Potamoplanktons auch in den Bajaer Donauarmen ein wichtiger ökologischer Faktor.
Im Phytoplankton der untersuchten 6 Donauarme besassen die zur Chlorophyta-Gruppe gehörenden Arten eine 50- bis 80%ige Dominanz. Als nächste folgten die Gruppen der Chrysophyta und Cyanophyta. Das massenhafte Auftreten der Rotatorien'fiel i. allg. mit dem massenhaften Erscheinen der kleinsten Arten der Conjugales, Chrysophyceae, Baeillariophyceae und Chlorococcales, die hauptsächlich dem Kreis der euplanktischen Arten angehören, zusammen. Diese sowie der im Wasser schwebende feine organische Detritus bilden die Hauptnahrung der Rotatorien der Donau. Räuberische RotatorienArten gibt es sehr wenige. Als wichtigste dieser ist Asplanchna brigthttelli zu nennen, die in den Donauarmen eine aussergewöhnliche Länge von 700 bis 800 p erreicht. Sie überfällt und verzehrt ohne Wahl alle kleinen RotatoriaArten.
Sowohl im Phyto- als auch im Zooplankton wurden zahlreich solche Arten vorgefunden, die in anderen stehenden Gewässern Ungarns nur im Winter oder. bloss im Sommer zu verzeichnen, d. h. kalt- oder warmstenotherme Arten sind. Im Potamoplankton der Donauarme erschienen sie jedoch zur Frühjahrs- und Sommerzeit in gleicher Weise. Diese Tatsache kann nur mit den im Flusswasser herrschenden, sehr mannigfaltigen und ständig wechselnden ökologisehen Verhältnissen erklärt werden. Die Menge, chemische Beschaffenheit und
Temperatur des Wassers sowie die Geschwindigkeit der Flutwelle und die Strömung ändern sich in diesen Armen rasch.
Die Frage, warum gewisse Arten -oft in grossen Mengen -zur selben Zeit in einem Donauarm vorhanden sind und aus einem andern fehlen, wird man nur nach einer gründlicheren und eingehenderen Erforschung der ökologischen Faktoren beantworten können.
Im Potamoplankton der untersuchten Donauarme kommen viele stark variierende Rotatorien vor, die hauptsächlich dem Kreis der euplanktischen Arten angehören. Diese Erscheinung hängt wahrscheinlich ebenfalls mit den eigenartigen, mannigfaltigen und ständig wechselnden ökologischen Verhältnissen des Stromwassers zusammen. Es ist bezeichnend, dass ein grosser Teil der cuplanktischen Arten je einer Gattung angehört, d. h. jede Gattung sehr viel Arten aufweist.
Unter den Arten, die aus dem Phyto- und Zooplankton der Donauarme eingesammelt wurden, gibt es auch solche, die sehr selten sind und bisher aus ,der Donau noch nicht zum Vorschein kamen.
Verfasser hoffen, dass ihre Angaben zu der mit grossem Schwung angebahnten internationalen Donauforschung beigetragen haben. Es soll jedoc h betont werden, dass die Ergebnisse aus einer vor fast 10 Jahren durchgeführten :Sammeltätigkeit gewonnen wurden, sie können daher zum Vergleich mit den Daten künftiger Untersuchungen dienen.
DATA REGARDING THE MICROFLORA AND MICROFAUNA IN THE ARMS
OF TIIE DANUBE NEAR BAJA
An energetic research into the organisms living in the Danube, in which all countries situated along this river are represented, has been started by the Arbeitsgemeinschaft Donauforschung des SIL. It is the Hungarian Danube Research Station which performs this work in Hungary. The authors of the present paper have worked up that planktonie material which one of them (KOL) colleeted in May and July, 1951, from the main eurrent of the Danube at Baja and from its five branches there. Data regarding phytoplankton and zooplankton, as published in the paper, show therefore conditions as they were found nearly 10 years ago. Collections were always made in high water. Algal assoeiations were found to be different in all branches of the river. Different was also the composition of the mierofauna of which the rotifers have been worked up. Although hydrographically more or less conneeted, the water of each arm near Baja constitutes a separate biotope with charaeteristie biocoenoses. A number of speeies are, of course, common to all branches of the river.
The phytoplankton of the examined arms is dominated by Chlorophyceae to the extent of 51 to 80 per cent. A total of 97 speeies of vegetable mieroorganisms was found, 30 of which had been unknown in the Hungarian seetion of the Danuhe. The analysed biotopes contained many rare algae.
The zooplankton consisted mostly of rotifers in spring and espeeially in summer. The ratio of erustaceans reached 30 per cent in a single ease only, and their pereentage did not exceed 2 to 5 during summer. Side by side with euplanktonie speeies many tychoplanktonie speeies were encouritered. It is only passively that the latter find access to the biotope of standing waters. Altogether 98 speeies, 17 varieties and 2 forrns were registered. Predominant among them were Rotifera (8,5 per cent), about 10 speeies of which were encountered in the planktonie biocoenosis of the Danube arms at Baja. The plankton of these arms contains a great number of considerably variable speeies, a phenomenon presumably due to the speeial and constantly varying oecologieal conditions of the flowing water. Most of these speeies belong to the euplankton. Such a number of varieties has never been observed in bodies of standing
water, in the Lake Balaton for example. The phyto- and zooplankton of the Danube arms contain certain speeies in suinmer which occur in other standing waters of Hungary (Balaton) during winter only, and constitute there cold stenothermal" forms. Of the examined species (varieties and forms), 13 were new in the Hungarian fauna.